Jeder, der sich im ländlichen Raum auskennt, kennt wahrscheinlich das stereotype Phänomen der zugezogenen Fenstervorhänge und der dahinter spähenden Überwachungskameras, die mit wachsamem Blick in der Nachbarschaft verfolgen, wer die Straße entlanggeht.
Es ist nur schwer vorstellbar, dass eines der markantesten Gebäude von Veszprém, der Feuerturm am Eingang der Burg, lange eine ähnliche Funktion hatte. Natürlich war es viel zielgerichteter und es war nicht nur die Neugier, die den Turmwächter antrieb, sondern er hielt Ausschau nach einer Bedrohung, die viel gefährlicher war als ein Fremder, der auf der Straße vorbeigeht.
Aber lassen Sie uns mit der Geschichte des Feuerturms noch ein Stück früher beginnen! Er wurde irgendwann im 13. Jahrhundert unter der Herrschaft von König Béla IV. erbaut und war einer der Wachtürme der Burg. Damals diente er vor allem dazu, die Bewegungen der osmanischen Armeen zu erspähen. Glücklicherweise überlebte der Turm die Herrschaft der Türken, musste aber kurz darauf, im Jahr 1703, vor einer weiteren verheerenden Bedrohung gerettet werden. Kaiser Leopold I. ordnete die Zerstörung der ungarischen Befestigungsanlagen, darunter auch die des Turmes von Veszprém, an. Der Feuerturm blieb jedoch verschont, da das fast 50 Meter hohe Gebäude bereits keine militärische, sondern aus praktischen Gründen eine ganz andere Funktion hatte. Er diente dem Brandschutz, denn von der Turmspitze aus konnte man die Stadt perfekt überblicken - alle Häuser und auch die Höfe.
Dies wiederum begünstigte plötzlich auflodernde Brände: Ein starker Windstoß genügte und die heiße Glut, die aus dem Schornstein aufstieg, konnte leicht das Dach des ganzen Hauses in Brand setzen. Wurde dies zu spät entdeckt, konnte die Katastrophe nicht mehr verhindert werden, wenn man aber frühzeitig auch auf die zunächst nur qualmenden Flammen achtete, gab es noch eine Chance, die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Der Feuerturm spielte gerade dabei eine wichtige Rolle, denn von hier aus konnte man praktisch die ganze Stadt überblicken und somit leicht Entstehungsbrände erkennen und rechtzeitig reagieren. Er erfüllte praktisch die Funktion der Notrufnummer 112. Kein Wunder, dass 1824 das Spritzenhaus, das damalige Zentrum der Veszprémer Feuerwehr, unterhalb des Turmes errichtet wurde. Der Feuerturm erlebte auch im 20. Jahrhundert einiges mit: An seiner Spitze gab es für lange Zeit einen roten Stern, im Jahr 1956 dann das Symbol des Aufstandes, die ungarische Flagge mit dem Loch und nach der Wende wurde wieder das ursprüngliche Nationalwappen am Turm angebracht.
Außerdem erhielt der Feuerturm auch eine Turmuhr bzw. eine Spieluhr, die zu jeder vollen Stunde die Verbunkos-Melodie des berühmten Veszprémer Komponisten Antal Csermák spielt.
Heute erfüllt er seine frühere Funktion nur mehr im Namen, sollten Sie aber auf einem der von der Spitze des Turms gemachten Selfies ein rauchendes Haus im Hintergrund entdecken, rufen Sie doch bitte die 112!